Aus Sicht des Vorstands der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater zeigt die diesjährige Vorauswahl -und Nominierungspraxis, dass es in der Deutschen Filmakademie eine zunehmende Richtungslosigkeit gibt, was den deutschen Kinofilm betrifft.

Während die Filmfestivals in Berlin und Cannes immer wieder Haltung zeigen und sich klar zum Kinofilm und den unabhängigen Filmschaffenden bekennen, fehlt der Deutschen Filmakademie bei der Vergabe des höchstdotierten deutschen Kulturpreises ein klarer Kompass. Und dies, obwohl die Förderung des deutschen Kinofilms als ein Ziel in ihrem Leitbild formuliert ist. Mit der Nominierung des Streaming-Films IM WESTEN NICHTS NEUES, bei dessen Herausbringung das gesetzlich geregelte Kinofenster nicht eingehalten wurde, und der Nicht-Berücksichtigung von Christian Petzolds ROTER HIMMEL, der bei der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet und nun erfolgreich in den Arthousekinos gestartet ist, wird dies in diesem Jahr sowohl hinsichtlich des Reglements als auch in der inhaltlichen Ausrichtung deutlich:

Der Deutsche Filmpreis soll an filmkünstlerische Produktionen vergeben werden, die bestimmt sind für die öffentliche Vorführung in Kinos in Deutschland und die hier ihre reguläre Erstauswertung haben. Die Filmakademie hat mit IM WESTEN NICHTS NEUES einen Film nominiert, dessen vierwöchiger Kinoeinsatz nur eine Alibifunktion hatte und damit die Mechanismen aushebelte, die die Vielfalt des deutschen Kinofilms sowie den Kulturort Kino schützen sollen.

Auch die Ablehnung von Christian Petzolds Film bereits in der Vorauswahl stößt bei den Programmkinos auf absolutes Unverständnis, zählen doch seine Filme seit vielen Jahren zur kulturellen Spitze des deutschen Films und sind erfolgreicher Bestandteil des Programms der Arthouse-Kinos. Hier wird wieder einmal deutlich, dass der Filmakademie beim Auswahl- und Nominierungsprozess das erforderliche Feingefühl für künstlerische Qualität fehlt.

Angesichts des ohnehin schon schwierigen Wettbewerbsumfelds für den deutschen Kinofilm ist dies nach Überzeugung des Programmkinoverbands besonders dramatisch. Einmal mehr ist die diesjährige Verleihung der Deutschen Filmpreise eine vertane Chance. Das hat Christian Petzold, das hat der deutsche Kinofilm, das haben die Kinos nicht verdient. Der Reformbedarf ist überfällig!

Wer öffentliche Gelder vergibt, muss sich an Regeln halten.
Es reicht nicht aus, allein das Vorauswahlverfahren zu hinterfragen. Es bedarf der verbindlichen Einhaltung der gesetzlich verankerten Sperrfristen als Voraussetzung für die Filmeinreichung.

Zudem zeigt sich einmal mehr, wie überfällig es ist, auch das Nominierungs- und Vergabesystem zu reformieren. Gerade weil es um Steuermittel geht, muss es neben einem diskriminierungsfreien und fairen Vergabeprozess auch um die fachliche Expertise gehen. Darum sollten auch die Kompetenz von Verleih, Kino und Filmkritik berücksichtigt werden, da diese Gewerke Kraft ihrer Profession eine Vielzahl und Vielfalt an für das Kino gemachten Werken sehen und der deren kreativ-künstlerische Qualität und Wirkung einschätzen können.

Als Teil der kulturellen Filmförderung des Bundes müssen die hochdotierten Filmpreise die gesamte Branche und damit auch die Kinoauswertung mitdenken. Denn nur wenn wir die Unabhängigkeit des Filmschaffens bewahren und das Kino schützen, hat das deutsche Kino eine Zukunft!

Dass wir in Deutschland mehr innovative und qualitativ hochwertige Kinofilme brauchen, wird auch bei den aktuellen Gesprächen in der Branche zur Novelle des Filmförderungsgesetzes klar. Die Filmakademie darf sich davon nicht ausnehmen und muss ihren Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen. Ihre eigenen Regularien zu übergehen kann dabei keine Lösung sein.

Über die AG Kino:
Die AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V. vertritt die gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Interessen der deutschen Filmkunsttheater nach außen und unterstützt die Kinos bei ihrer täglichen Arbeit. Derzeit sind über 380 Kinobetreibende mit ca. 800 Leinwänden Mitglied in der AG Kino – Gilde e.V..

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